Wie bereits in der großen Finanzkrise, als IKB, Hypo Real Estate und die meisten Landesbanken insolvent wurden, war die zuständige Aufsichtsbehörde BaFin auch bei Wirecard nutzlos und teuer. Schlimmer noch, durch ihre Leerverkaufsbeschränkungen stand die BaFin sogar auf der falschen Seite der am Finanzmarkt mittlerweile sattsam bekannten Wirecard-Geschichte.
Wenig besser sehen die Wirtschafsprüfer von EY aus. Die Interessenkonflikte in der Branche sind altbekannt, man denke nur an Enron. Auch Kapitalanlagegesellschaften haben sich nicht mit Ruhm bekleckert. Die klassische Definition von Investment nach Benjamin Graham, dem Nestor vernunftgeleiteten Investments und Lehrmeister von Warren Buffett lautet:
„Von einem Investment lässt sich sprechen, wenn gründliche Analyse ergibt, dass Sicherheit des Kapitals und eine angemessene Rendite erwartet werden kann.“
Seit Jahren ist jedoch klar, dass von Sicherheit des Kapitals bei einer Wirecard-Anlage nicht gesprochen werden konnte. Dafür waren die Gerüchte um frisierte Bilanzen und die hartnäckige Weigerung des Vorstandes, Vorwürfe durch Transparenz zu entkräften, zu persistent. Per Saldo hat sich das Wirecard-Engagement vieler Asset Manager als pure Spekulation herausgestellt, angezogen von der sagenhaften Kursentwicklung der Vergangenheit. Bedauerlicherweise lieferten in diesem Zusammenhang die Ratingagenturen – wie bereits in der Subprimekrise – keine Hilfestellung. Nachdem das Wirecard-Kind in den Brunnen gefallen ist, stufte Moodys auf Ramsch-Status ab.
Auch die deutschen Finanzmedien haben wenige Lorbeeren im Fall Wirecard erworben. Ich erinnere mich noch gut, mit welcher Häme vor nicht allzu langer Zeit vermerkt wurde, wie ein kleines Fintech-Unternehmen namens Wirecard die große Deutsche Bank in den Börsenschatten stelle. Anstatt Jubelarien angesichts des DAX-Aufstiegs von Wirecard anzustimmen hätte gründliche Recherche vielen Medien einen besseren Dienst geleistet.
Es spricht Bände, dass es die englische Financial Times war, die den Betrugsskandal durch hartnäckiges Nachspüren und gegen Widerstände ins Rollen gebracht hat. Ähnlich wie im Diesel-Skandal der deutschen Autohersteller, wo ebenfalls Staatsversagen zu bedauern war, kamen ausländische Rechercheure den Tätern auf die Schliche, während deutsche Medien und die BaFin ein angelsächsisches Komplott gegen Wirecard witterten.
Für den Finanzmarkt Deutschland bedeutet das nichts Gutes. Wahrscheinlich wird Deutschland auf diesem Feld und damit beim finanziellen Wohlstand der Bürger weiter zurückfallen. Ob es ausreicht, auf die weltweite Beliebtheit deutscher Staatsanleihen hinzuweisen, ist fraglich. International spielt der Finanzplatz Deutschland nur in der zweiten Liga. Zunehmend betätigt sich der Staat als schwergewichtiger Marktakteur, wie der Staatseinstieg bei dem Biotech-Wert CureVac zuletzt einmal mehr zeigte. Überhaupt ist unser Staat Daueraktionär bei der Deutschen Telekom, der Deutschen Post und der Commerzbank. Nun kommt noch die Lufthansa hinzu. Mehrere DAX-Unternehmen (Adidas, TUI, Thyssen-Krupp) werden durch Staatskredite finanziert. Man kann also, wie bereits bei der Energiewende, sehen, wie es – jenseits anderslautende Sonntagsreden – um marktwirtschaftliches Gedankengut in unserem Land bestellt ist. Politik und Öffentlichkeit interessieren sich kaum für den Aktienmarkt und verkennen damit dessen wohlstandsbildende Funktion. Eine wachsende Zahl amerikanischer Aktien ist inzwischen jeweils mehr Wert, als alle im Dax versammelten Aktien zusammen. Und die DAX-Unternehmen werden ihrerseits mehrheitlich von amerikanischen Anlegern gehalten. Immerhin mag es manchem ein Trost sein, dass auch bei Wirecard ausländische Aktionäre die Mehrheit hielten.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns