Diese Entwicklung ist keineswegs zufällig eingetreten. Man wird unter amerikanischen Politikern kaum jemand finden, der nicht privat am Aktienmarkt engagiert ist, und sei es nur durch die Altersabsicherung via Pensionsfonds. Gleiches gilt für die Vertreter und Führungsmitarbeiter amerikanischer Institutionen, wie z.B. der Notenbank Fed, der Börsenaufsichtsbehörde SEC, der Umweltaufsichtsbehörde oder etwa der Pharmazulassungsbehörde FDA.
Insofern sind die amerikanischen Eliten sehr eng verbunden mit dem Gedeihen der Wirtschaft. Sie spüren anhand der eigenen Vermögenssituation, wie es um die amerikanische Ökonomie bestellt ist. Und sie haben ein starkes berufliches und zusätzlich privates Interesse am Blühen der Wirtschaft. Darum ist man in den USA neuen Techniken gegenüber wesentlich aufgeschlossener als etwa in Deutschland. Man denke etwa an Themen wie Gentechnik, Militärtechnik, Nukleartechnik, Finanzinnovationen oder den Einsatz von künstlicher Intelligenz.
Wer dies bedenkt, der kann nachvollziehen, warum die noch viertgrößte Volkswirtschaft der Welt – Deutschland – zunehmend ins Hintertreffen gerät, wenn es um das Thema Wohlstandsentwicklung geht. Mit resignierender Gelassenheit hat man etwa vor einer Woche lesen müssen, dass der Finanzplatz Frankfurt es kaum noch unter die ersten zwanzig wettbewerbsfähigsten Finanzmetropolen schafft. Derweil befinden sich mit New York, San Franzisco, Los Angeles, Chicago und Boston nicht weniger als fünf US-Großstände in diesem illustren Kreis. Mit London ist nur noch ein europäischer Finanzplatz unter den Top 10 platziert, während die Wachstumsregion Asien mit Singapur, Hong Kong, Shanghai und Seoul prominent vertreten ist.
Im Grunde haben wir Deutschen das Thema Finanzmarkt und Börse nie richtig verstanden. Eine Kombination aus Zinsbesessenheit, Aktienfeindlichkeit, Vollkaskomentalität, Antiamerikanismus und Staatsgläubigkeit hat verhindert, dass in Deutschland ein starker Finanzmarkt entsteht. In Schulen und Hochschulen spielt das Thema – anders als in den USA – keine wichtige Rolle. Wie auch; die Lehrer und Professoren besitzen ganz überwiegend keine Aktien und sind beamtete Staatsdiener. Nicht das Wohlergehen der Wirtschaft muss ihre erste Sorge sein, sondern das durch Zwangsabgaben gefüllte Staatssäckel.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns