In den USA überschritten die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen im Oktober erstmals seit sechzehn Jahren die Marke von 5%. Derweil liebäugelten zehnjährige deutsche Staatsanleihen mit einem Renditeniveau von drei Prozent. Dabei hat wenig geholfen, dass die Notenbanken von weiteren Leitzinserhöhungen absehen werden. Sperrfeuer erhielt diese Hypothese jedoch von der starken Konjunkturentwicklung in Nordamerika, wo das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal um annualisierte und zugleich satte 4,9% emporsprang und damit dem vergleichbaren Wert Chinas entsprach. Von solchen Wachstumsraten kann man in Europa nur träumen. In der alten Welt verfestigte sich unterdessen die stagflatorische Tendenz, während Deutschland bezüglich des Wirtschaftswachstums aller großen Industrieländer die rote Laterne trägt. Die schwache Wirtschaftsentwicklung in Deutschland, die im Wesentlichen der abflauenden Weltkonjunktur und den strukturellen Standortschwächen zuzuschreiben ist, strahlt mittlerweile auch auf die europäischen Nachbarländer ab.
Amerikanische Blue Chips mussten – gemessen an der Entwicklung des marktbreiten S&P 500 seit Ende Juli gut 10% ihres Kursniveaus abgeben. Aufgrund der hohen Gewichtung weniger Ausnahmeaktien wie Microsoft, Apple, Alphabet, Tesla, Meta Platforms, Nvidia und Amazon liegt der S&P 500 immerhin noch kommod im Plus, jedenfalls seit Beginn des Jahres. Für den Dow Jones Industrial Index lässt sich Gleiches nicht sagen. Dort sackten die Werte inzwischen ins negative Territorium ab. Noch schwieriger gestaltet sich die Lage bei Aktien außerhalb des Blue-Chip-Segmentes. Der Russel 2000, der die Kursentwicklung von 2000 kleiner kapitalisierten amerikanischen Aktien abbildet, musste seit Jahresanfang ca. 7% abgeben. Auch in anderen Ländern sind die Kurse mittlerweile unter die Nulllinie gefallen. Der britische FTSE 100 liegt ebenso im negativen Bereich wie der schweizerische SMI, der seinerseits von der festen Landeswährung Franken tangiert wird. Übrigens gilt für Großbritannien ein ähnlicher Befund wie in den Vereinigten Staaten: Großkapitalisierte Aktien schnitten bislang deutlich besser ab als ihre weniger großen Pendants.
Zu den Lichtblicken in Europa zählen Italien, Griechenland, Dänemark und Osteuropa, wobei man für den dänischen Aktienmarkt anmerken muss, dass die starke Indexentwicklung überwiegend dem sensationellen Aufschwung bei Novo Nordisk geschuldet ist.
In der Mitte des Feldes befinden sich der DAX und der französische CAC 40, wiewohl auch diese beiden Indizes zuletzt eine Korrektur erlebten.
Ein Blick auf die asiatischen Börsen bestätigt ebenfalls den gegenwärtigen Korrekturmodus. Während chinesische Aktien seit längerer Zeit abwärts driften, konnten japanische Aktien – gemessen am TOPIX – in diesem Jahr im Durchschnitt um fast 20% zulegen.
Neben der Zinsentwicklung und den zahlreichen Makro-Brennpunkten treten zunehmend auch die Quartalszahlen der Unternehmen als Spielverderber auf den Plan. Die Anzahl der Gewinnwarnung und deren Ausmaß war zuletzt zunehmend. Zudem vermelden die meisten der großen Kapitalsammelstellen Abflüsse aus ihren Aktienprodukten. Gleichwohl trifft für die Börse der Inhalt des Hölderlin-Zitates aus der Patmos-Hymne: Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns