US-Wahlkampf nimmt Fahrt auf

Drei Ereignisse waren es, die dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf in den letzten Wochen Dynamik eingehaucht haben.

Zunächst gab es die Fernsehdebatte, in welcher Präsident Biden senil und fahrig wirkte. Das zweite Ereignis war das gescheiterte Attentat auf Donald Trump während eines Wahlkampfauftritts in Pennsylvania. Die Flut an Bildern und Berichterstattung verschaffte dem republikanischen Amtsanwärter, der ohnehin ein Mediengenie ist, enorme Aufmerksamkeitsgewinne, die von seiner Wahlkampforganisation recht gekonnt hochgehebelt wurden. Und schließlich war da der Nominierungsparteitag der Republikaner in Milwaukee. Mit der Bestimmung von J. D. Vance zum potenziellen Vizepräsidenten gelang Donald Trump ein Coup. Denn im Gegensatz zu seinem früheren Vizepräsidenten Mike Pence, der etabliert, erfahren, langweilig, aber recht prinzipienfest war, verkörpert J. D. Vance Jugendlichkeit, rhetorisches Geschick und vor allem die amerikanische Lieblingserzählung vom Aufstieg aus ärmlichen Verhältnissen zum Establishment. Vance erklärte die Republikanische Partei zur Partei der arbeitenden Menschen. Zudem geschah völlig Undenkbares: Gewerkschaftsvertreter bekamen prominente Redeplätze während des Parteitages.

Insgesamt haben die drei genannten Entwicklungen zu kurzfristig stärker werdendem Rückenwind für Donald Trump geführt. Aber bekanntlich führt Aktion zu Reaktion. Der Verzicht Joe Bidens auf eine weitere Präsidentschaftskandidatur mischt die Karten völlig neu. Eine neue Dynamik und Jugendlichkeit des demokratischen Wahlkampfes sind vorstellbar. Zudem ist der Wahlkampf noch technisch offen, denn die Besonderheiten des amerikanischen Wahlsystems sind zu beachten und bis zum Wahltag am 5. November kann und wird noch vieles passieren.

In den Vereinigten Staaten werden Wahlkämpfe traditionell stark personalisiert geführt. Inhaltliche Aspekte treten mitunter in den Hintergrund. Derweil deuten sich wichtige Weichenstellungen an, sofern es zu einer Veränderung im Weißen Haus kommt. Eine Rückkehr zum Isolationismus der frühen Jahre des letzten Jahrhunderts ist durchaus vorstellbar. Die Republikaner, die sich jetzt als Partei der Arbeiterschaft gebärden, streben eine stärkere Reindustrialisierung, wie sie übrigens längst auf dem Weg ist, der USA an. Den Krieg Russlands gegen die Ukraine will Trump rasch beenden. Sein potenzieller Vizepräsident hat die Einstellung der Unterstützung für die Ukraine auf dem Parteitag angekündigt. Und die Bewunderung Trumps für Wladimir Putin ist hinreichend dokumentiert. Sie entspricht der Zustimmung, die Putin bei der AfD und der BSW findet.

Freihandel und internationaler Wettbewerb soll nach dem Willen der Republikaner durch nationale Präferenz nach dem Vorbild Chinas beschränkt werden. Zölle und Tarife sollen auf alle ausländischen Güter erhoben werden. Den Republikanern imponiert überdies der autokratische Führungsstil, der in China etabliert ist. Ferner soll der Kurs des US-Dollars sinken, um Handelsvorteile für amerikanische Exporteure herbeizuführen. Interessanterweise hört und liest man im Parteiprogramm nichts über das Thema Staatsverschuldung, die unter den Präsidenten Bush, Obama, Trump und Biden ungeahnte Höhen erreicht hat.


Aus Chicago

Ihr

Dr. Christoph Bruns