Zunächst kann man sagen, dass Donald Trump ganz der Alte ist, nur älter. In Stil und Inhalt ist dem Altpräsidenten wenig Neues eingefallen. Mit einer Litanei aus Beleidigungen, Herabsetzungen, Lügen und Verschwörungstheorien war er bereits im Wahlkampf 2016 erfolgreich. An der seinerzeitigen Siegesstrategie hat er festgehalten. Obendrein folgt er konsequent dem Drehbuch der allermeisten Politiker der Welt. Die Gegenwart wird als desaströs beschrieben und dem politischen Gegner in die Schuhe geschoben, während die Zukunft unter eigener Regie goldene Zeiten verheißt. Bei Trump heißt das: Die Kriege der Welt werden am ersten Tag seiner Amtszeit beendet, das Wirtschaftswachstum springt stark an, Kriminalität, Inflation und illegale Einwanderung gehen sogleich zurück und Amerika steht strahlend da.
Bei den Demokraten ist zuletzt der Schwung aus der Benennung von Vizepräsidentin Harris als Präsidentschaftskandidatin verloren gegangen. Als dunkelhäutige Frau konnte Harris einige Wochen lang das Momentum des Neuen auf sich ziehen. Auch ihre positive, optimistische Ausstrahlung half dabei. Aber in den letzten Wochen gelang es der Sechzigjährigen nicht hinreichend, inhaltliche Schwerpunkte, Differenzierungen und Vorteile herauszuarbeiten. Ihr fehlendes eigenes Profil lässt die Kandidatin zunehmend als Fortsetzung von Joe Biden erscheinen und das zentrale Thema der Demokraten – Abtreibungsrecht – mag nicht die Zugkraft entfalten, die für einen Wahlsieg ausreicht. Das Charisma eines Barack Obama besitzt Kamala Harris nicht, wohl aber eine prall gefüllte Spendenkasse. Ihre Zurückhaltung bei der Positionierung hinsichtlich Steuern, Energie, Ukraine, Umweltschutz und Immigration erweist sich jedoch im Wahlkampfendspurt mehr und mehr als Problem.
Auffällig ist, dass weder Harris noch Trump sich um die hohe Verschuldung in den USA kümmern wollen. Fiskalische Disziplin spielt auch verbal hüben wie drüben keine Rolle mehr. Beide reden nicht über das Thema und wollen jeweils das Füllhorn weiterer Volksbeglückungen ausschütten.
Interessant ist die Inversion, die sich in den vergangenen Jahren in Amerika vollzogen hat. Während die Republikaner inzwischen zur Partei der Arbeiter und des Prekariats mutiert sind, finden die Demokraten vor allem bei Gebildeten und Wohlhabenden Zulauf. Auf dem Lande findet Trump großen Zuspruch, in den Großstädten liegt Harris klar vorn. Klassische Republikaner haben ihre politische Heimat (Ronald Reagan als Säulenheiliger dieser Gruppe) verloren und Gewerkschaftler unterstützen mitunter Trump.
Spannend ist der Wahlausgang allemal, denn weder Trump noch Harris haben die Nase in den umkämpften Bundesstaaten statistisch signifikant vorn. Außerdem wird am 5. November das Repräsentantenhaus neu gewählt sowie ein Drittel aller Senatoren. Ein Präsident ohne Mehrheiten im Kongress ist vor allem innenpolitisch eine lahme Ente.
An den Finanzmärkten hat man den Wahlzirkus mit Gelassenheit verfolgt. Dort weiß man, dass sowohl Demokraten als auch Republikaner eine starke Wirtschaft wollen und entsprechende Politik machen werden. Im Übrigen hatte Warren Buffett vor vielen Jahren gesagt, Amerika sei eine `Corporatocracy´. Wenngleich diese Aussage eine starke Simplifizierung darstellt, entbehrt sie doch eines Körnchens Wahrheit nicht.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns